Friedrich Nietzsche in Sonettform


Erster Akt (Nietzsche spricht für sich selbst)

Nietzsche soll ich Euch erklären?
Und vom schiefen Bild befrei'n!
Hört den Friedrich aufbegehren:
"Nur in kein System hinein!

Will Euch zu Euch selbst versuchen,
Das will mir das Höchste sein -
Selbst den Priester und Eunuchen
Lad' ich zum Versuch mir ein.

Wirklichkeit ich rolle Dich
Von Gleichnissen her auf -
Nimm nur Deinen Lauf!

Psychodoxem zolle ich
Jeglichen Tribut:
- Entwicklung find ich gut!"


Zweiter Akt (Gegenrede) 

Das hab' bildlich ich vor Augen,
Wie sich Nietzsche sträubt und ziert.
Seinen Stoff kann jeder saugen.
Hat er *dafür* promoviert?

Tröstend ist, daß seine Schriften
"Online" bleiben wie vorher.
Ob sie schließlich Frohsinn stiften,
Lehrt die "ew'ge Wiederkehr".

Es wird durch des Netzes Weiten,
"Zarathrustra" sich verbreiten
- Mit etlichem Getöse:

"Ecce homo!" Nach dem Sieg
Ist so mancher Online-Freak
"Jenseits von Gut und Böse".


Dritter Akt
(Einladung zu einem fröhlichen "über ihn hinaus")

Gegen das "System" gesetzt
Steht ein andrer Wert:
Aphoristisch denk' ich jetzt,
So! hat er's gelehrt.

Also, so im großen Ganzen -
Abgesehn von Friedrichs "Sieg",
Seh' erfreut ich Dich hier tanzen,
Tanze Oliver, dann flieg!

Doch wer weiß ob Nietzsches Schriften
Frohsinn mehr als Ärger stiften
Seine Wirkung vorteilhaft?

Sollten wir uns nicht verbünden
Einen Flugverein hier gründen:
Kurz: "Fröhliche Wissenschaft"?


Autor: Werner Mikus Akt 1 und 3,
            den 2. Akt (Gegenrede) schrieb Oliver Jansen 

Bildquelle: Strichzeichnung Werner Mikus

Kommentare

  1. Zwei Reime heiß’ ich viermal kehren wieder,
    Und stelle sie, getheilt, in gleiche Reihen,
    Daß hier und dort zwei eingefaßt von zweien
    Im Doppelchore schweben auf und nieder.

    Dann schlingt des Gleichlauts Kette durch zwei Glieder
    Sich freier wechselnd, jegliches von dreien.
    In solcher Ordnung, solcher Zahl gedeihen
    Die zartesten und stolzesten der Lieder.

    Den werd’ ich nie mit meinen Zeilen kränzen,
    Dem eitle Spielerei mein Wesen dünket,
    Und Eigensinn die künstlichen Gesetze.

    Doch, wem in mir geheimer Zauber winket,
    Dem leih’ ich Hoheit, Füll’ in engen Gränzen.
    Und reines Ebenmaß der Gegensätze.

    – August Wilhelm Schlegel: Das Sonett [9]

    AntwortenLöschen
  2. Die Zusendung des Schlegel-Sonetts mit Bauanleitung hatte ich einer Mitleserin aus Wien zugeschrieben. Nach Abklärung war die Herkunft des besagten Kommentars dann aber wieder offen und ich löschte meine Antwort. Schließlich habe ich mich aber entschlossen, meine verstechnisch spiegelgetreu zum Schlegel-Bauplan verfasste Nachricht hier wieder reinzusetzen. Sie darf jetzt einfach für sich stehen - vielleicht erfreut es ja den Unbekannten, der oder die jene schöne Schlegel-Baueinleitung hier eingebracht hat.

    Ein echter Kölner weiß zu schätzen
    Wenn er mit Resonanz bedacht
    Auch wenn dieselbe eingebracht
    In digitalen Netzen

    Vielleicht geht's auch nur um ein Necken
    Und diese Art Aufmerksamkeit
    Setzt ganz auf die Verbundenheit
    Und das lass ich mir schmecken.

    Ein irgendwo gelieh'ner Sinn
    Steht dann vor dem was Sache ist
    Nicht ohne zu verdecken,

    Um damit grad' wie ein Artist -
    So macht man's als Schlawi(e)nerin -
    Dem and'ren was zu stecken.
    WM

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Entwicklungstherapie

Ist das Seelische ein zusätzliches Organ?

Von Literatur und Autorenschaft lernen