Gaza, Israel, verdrehte Welt

Ein "Apropos"-Beitrag

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Kontext: In der fb-Gruppe "Psychologie des 21. Jahrhunderts" sind zur Zeit [August 2014] großformatige seelische Zusammenhänge das Thema. Zuletzt war es der Zusammenhang Palästina, Israel und die aktuelle Katastrophe in dem Gebiet. Weil in solchen Gruppen Beiträge immer sehr schnell wieder verschwinden und später schwer wiederzufinden sind, möchte ich meinen dort eingestellten Beitrag zusätzlich hier unterbringen, wo er leicht überarbeitet, im bedienungsfreundlichen Verzeichnis der sogenannten "Apropos-Beiträge aufzufinden ist.
Zusatzbemerkung - 11 Jahre später (also vom 27. August 2025)
Nach dem Hamas-Massaker im Oktober 2023 ist eine Situation entstanden, die um ein Vielfaches schlimmer ist als vor 11 Jahren, als ich mir an dieser Stelle die folgenden Gedanken machte. Es verselbständigt sich etwas, nicht zuletzt deshalb, weil in der Zwischenzeit ein echter Kontakt mit dem narrativen Kern des Gesamtzusammenhangs nicht wirklich aufgenommen wurde. Deshalb macht es für mich Sinn, über das damals von mir an dieser Stelle vorgetragene Bildverstehen noch einmal nachzudenken: 




Man muss sich das einmal vor Augen halten:

Das Osmanische Reich zerbricht, bestimmte Gebiete fallen in die Hände der umliegenden Staaten. Nach dem ersten Weltkrieg untersteht Palästina der Britischen Verwaltung (Kolonialstatus). Das wird mit der Autorität des frisch gegründeten Völkerbundes besiegelt (einem Bund übrigens, der nach dem Zweiten Weltkrieg von den Vereinten Nationen (UNO) abgelöst wird und dem Amerika beispielsweise noch gar nicht angehörte - Die Briten und die Franzosen hatten das sagen, wobei den Franzosen z.B. der Libanon unterstand). 1947 gaben die Briten ihr Mandat auf und 1948 kam es über die Vereinten Nationen (UNO) dann zu einer Aufteilung des Gebiets in einen Arabischen (45% Fläche), und einen Jüdischen (55% Fläche), sowie in den Bereich eines neutralen Restgebiets (Jerusalem), das unter internationaler Kontrolle existieren sollte. Es konnte sich so anfühlen, als sollte ein Teil des Landes (der Kleinere) an das Vorkoloniale Palästina (überwiegend von Arabern islamischen Glaubens bewohnt) zurückgegeben und der andere Teil des Landes den jüdischen Siedlern zugeschrieben werden, die sich aus aller Welt kommend in den letzten 100 Jahren mit britischer Unterstützung dort niedergelassen hatten. Hier sollten jetzt diejenigen, die in der Welt überall Verfolgung erlitten hatten, eine Heimat finden - und das nicht zufällig gerade in diesem Gebiet, weil nämlich hier die glaubensgeschichtlichen Wurzeln der avisierten Siedler liegen. 
Auf die Unabhängigkeitserklärung Israels erfolgte fast unmittelbar ein Überfall auf den ausgerufenen Staat durch die umliegenden Länder. Israel war in diesem und in den nachfolgenden Kriegen eigentlich immer der erfolgreichere Kombattant. Die Auseinandersetzungen brachten dem israelischen Staat gleichsam "Kriegsbeute"ein, 1967 konnte sogar der damals von Ägypten verwaltete Gazastreifen in Besitz genommen werden, ein Gebiet, das in den tatsächlichen Ausmaßen nicht größer ist als z.B. die Fläche von Wien, was aber wie ein Streifen direkt am Meer liegt
Israel versuchte im Folgenden durch eine Besiedlung mit "eigenem Blut" dieses Gebiet in etwas potenziell Eigenes umzuwandeln (so wie das auch Russland dereinst in Teilen Europas praktiziert hat). Es sperrte außerdem den besagten "Streifen" sicherheitshalber nicht nur von der Seeseite, (Seeblockade) sondern auch von allen anderen Seiten her ab (Zaun, Videoüberwachung) verbunden mit allerhand Repressalien. Auf Druck der übrigen Welt (UNO, Amerika) ließ Israel dann irgendwann die offizielle Besatzungs-Politik im Gazastreifen fallen und erkannte - leider nur formal! - diesen Teil als ein, den palästinensischen Autonomiegebieten zugehörendes Gebiet an (siehe Westjordanland auf der anderen Seite von Israel). Die Unterdrückung der Menschen in diesem Raum ging aber unvermindert weiter.

Zwischenbemerkung:

Wir müssen uns bei diesem Blick auf die Entwicklung aber auch an Folgendes erinnern: Während der ganzen Zeit (von 1967 - bis heute) ging von den besetzten Gebieten (also vom arabisch-palästinensischem Teil dieser Landschaft, eine guerillaartige Bekämpfung des Staates Israel aus, welche nicht zimperlich, sondern mit den schrecklichsten Mitteln geführt wurde (meist vom Typus Selbstmordattentäter). Die Haltung, die dabei zum Ausdruck gebracht wurde, könnte man in etwa folgendermaßen in Worte fassen: Verschwindet, das ist unser Land, ihr Juden entheiligt es.

Jetzt ein gedankliches Experiment:

Denken wir uns eine andere Haltung der arabischen Bevölkerung, eine, die eine Art von Wunder hätte wirken können. Natürlich ist die nicht möglich gewesen, weil die Politik Israels.... [gut, ich erspare mir hier die notwendige Kritik - ihrer Umfänglichkeit! wegen.] 
Aber wie hätte diese potenzielle Haltung aussehen können? Ich denke, sie hätte sich ungefähr mit den folgenden Worten an die in Israel wohnenden Menschen gerichtet:

"Ihr habt keinen Anspruch darauf, dieses Land hier zu besitzen (weil)
Die kolonial-mächtige Regelung des Völkerbundes ist für uns (also für diejenigen, die hier ursprünglich leben) ein Willkürakt, da hilft auch nicht die Referenz auf ein ehemaliges und wenn auch dreitausend Jahre zurückliegendes Beheimatet sein an diesen Orten hier. Und wenn das erst einmal ausgesprochen ist, könnte die Rede aus der gleichen Haltung heraus wie folgt weitergehen:
Nachdem wir uns in so viel Leid gebracht, und dabei  uns doch auch so nah gekommen sind,
sollten wir es endlich zusammen versuchen:
Wenn ihr in Zukunft nicht mehr mit der kaum erträglichen Haltung eines von Gott gestützten 'Anspruchseigners für diesen Flecken Erde' auftreten wollt, dann soll es unser Wille sein, Euch hier wie gute Nachbarn leben zu sehen, und das dann auch mit den Insignien eines eigenen Staates Israel"

So könnte für mich ein Schuh daraus werden.
Dass die Palästinenser so ein "Nachdenken" bisher wohl kaum in ihren "Köpfen" hatten, ist nicht schwer zu verstehen: Die ganze Diskussion wurde und wird doch bisher immer nur umgekehrt geführt. So, als wäre die eigentliche Frage die, ob ein palästinensischer Staat irgendwann einmal von Israel anerkannt werden könne oder nicht (oder vielleicht nicht mit allen Konsequenzen usw.).

Verdrehte Welt!

Ja, so aber muss man über die Dinge reden und nachdenken können. Vielleicht kommt dann in der Folge etwas wirklich Befreiendes dabei heraus.


PS:
Kleine tabellarische Übersicht über die wichtigsten Etappen

1918–1920: Ende Osmanisches Reich
1920–1947: Britisches Mandat
1947–1948: UN-Teilungsplan & Unabhängigkeit
1948–1967: Gründungs- und Folgekriege
1967–2005: Besatzung & Siedlungspolitik
2005–2023: Abzug aus Gaza & fortdauernde Konflikte
2023 im Oktober: Hamas-Massaker & aktuelle Lage

Zwei weitere hier anklickbare Beiträge zum Themenbereich:

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