Mensch und Seele - Musikinstrument und Musik
Wir werden als kleine Musikinstrumente geboren...
...in einem weiten und auch in einem etwas engeren Sinne.
Was den engeren Sinn betrifft, so erinnere ich an das, worauf die Vorgeburts-
und Säuglingsbeobachtungen von W. Ernest Freud aufmerksam gemacht haben: dass
unsere Seele mit dem Rhythmischen anfängt (nicht zuletzt repräsentiert durch
den mütterlichen Herzschlag), also mit einer bewegten Ordnung, die der im
Mutterleib oft hörbaren Musik folgt und die Synchronien herzustellen vermag.
Insofern bereitet sich in diesem frühesten seelischen Zustand etwas vor, das
wie ein Musikinstrument im Ganzen also auch konkret schon an einer „Musik“
teilhat, einer „Musik“, die um das noch gar nicht so richtig abgehobene kleine
Wesen herum irgendwie schon immer da ist. Im Folgenden möchte ich von einer
Beziehung im weit gefassten Sinne sprechen. Der Anlass ist eine Analogie, auf
die ich gekommen bin, als ich in meiner Lehrzeit auf der Couch von eben diesem
W. Ernest Freud meine gut begleiteten und methodisch verschärften eigenen
Erfahrungen mit dem Seelischen machen konnte. Ich glaube, dass die Psyche uns
in ähnlicher Weise gegenübersteht wie die Musik einem Musikinstrument.Wie ein Musikinstrument zur Musik
Der Mensch verhält sich zur Seele wie sich ein (intelligentes)
Musikinstrument zur Musik verhält. Damit Musik entstehen kann, muss das
Instrument die Aufmerksamkeit von sich selbst ein wenig wegbringen und zwar auf
das größere Ganze hin, auf die Musik. Die Musik steckt nämlich nicht im
Instrument schon drin, so dass sie nur noch (sauber und technisch perfekt) aus
demselben herausgeholt werden müsste.
Vom Seelischen denken wir uns solche Wunderlichkeiten aber gerne: So glauben
wir z.B., dass alles Seelische seine Quelle in der menschlichen Person (mit
seinem Erleben und Verhalten oder/und seiner Physis) hat. Dabei übersehen wir
gerne, dass unser Erleben und Verhalten nicht selten Geschichten folgt, für
deren Urheberschaft wir in keiner personenbezogen, direkten Weise
verantwortlich sind. Wir glauben aber viel zu gerne daran, dass der Mensch –
egal, ob mit seinem Erleben und Verhalten oder mit den verschiedensten
physiologischen Mechanismen - die Quelle für alles Seelische sei. Die
Psychologieforschung, so erwartet der Zeitgeist, solle sich also unbedingt von
dort aus ein Verstehen aller psychischen Zusammenhänge erarbeiten.
Musiklernen auf die herkömmliche Weise
Offenbar deshalb wird das Seelische heute so gelehrt, als ginge es in einer
Analogie darum, etwas derart Komplexes wie die Musik über die Beschaffenheit
und das Funktionieren der verschiedenen Musikinstrumente zu verstehen. Die
Psychologie tut dabei so, als wenn das A und O aller seelischen Wirklichkeiten
in der menschlichen Person zu finden sei. Wenn ich aber nach den Gesetzen des
Seelischen suche, in Analogie zu der Suche nach einem Verstehen von Musik und
Kompositionsgesetz, so werde ich diese doch bestimmt nicht zwischen den Saiten
einer Gitarre oder den Tasten eines Klaviers suchen.
Die Universitätsausbildung in Psychologie, der man die Psychotherapieausbildungen
bisher freier Institute inzwischen eingegliedert hat, sind im musikanalogen
Sinne "Instrumenten-fixiert" (Analogie: fixiert auf den Psyche
produzierenden Menschen): Das Seelische wird verstanden als das, was der Mensch
in seinem Verhalten und Erleben absondert. Deshalb lernen die Studierenden
(notenanalog) Ablaufsmodelle und (methodisch-technisch) die Dissonanzen zu
vermeiden.
Seelisches findet woanders statt
Seelisches findet tatsächlich woanders statt und weniger zentral in der
vermeintlichen Zentrale einer Therapeuten- oder Klientenseele. Wir haben -
besonders, was die Therapie betrifft - Verhältnisse zu lehren, die so komplex
sind, wie wir sie im hier angesprochenem Verhältnis von Musik und
Instrumentenkunst vorfinden.
Diese Verhältnisse lassen es nicht zu, dass wir gleichsam die
"Instrumente" (also die Person des Therapeuten oder auch die des
Klienten etwa) mit dem verwechseln, um das es uns in einem
psychotherapeutischen Prozess tatsächlich zu gehen hat - auch wenn Therapeut
und Klient noch so schön das sogenannte Zentrum des Geschehens verkörpern
wollen (Konzertflügel und Cello tun das ja auch - stellen sich aber dennoch
ganz in den Dienst der Musik).
Einlassen auf die "Musik" und ihre Gesetze - übertragen, auf das Seelische:
Es geht um die "Musik" und um ihre Gesetze, auf diese gilt es,
sich einzulassen. Das heißt, auf das Seelische zurückübersetzt: Es geht in der
Psychologie um eine Wirklichkeit, die Personen und Dinge übergreift. Hierzu
bietet sich die sprachbildliche Wirklichkeit an. Gemeint ist eine Wirklichkeit
in Gleichnissen und Bildern (gemeint sind die Bilder i.w.S.). Das Seelische
kann uns auf diese Weise eine neue, universale Perspektive auf die Welt geben
(es ist dann die Welt der erlebbaren Zusammenhänge, die ja immer gleichnishaft
sind).
Das vom Psychosozialen Forum (PSF) e.V. vor 35 Jahren gegründete
Ausbildungsinstitut trägt daher in seinem Namen das Wort
"Bildanalytisch" (Wissenschaftliche Gesellschaft für Bildanalytische Psychologie
und Psychotherapie). Es lehrt ein Umgehen mit dem Seelischen genau wie in dem
hier besprochenen "musikanalogen" Sinn. Dabei werden sinnvoller Weise
zwei Gruppen von Menschen zusammengeführt:
(1) Menschen, die als Konsequenz einer festgefahrenen Lebensführung sich
verändern wollen und
(2) Menschen, die das Ziel haben, eine Kennerschaft im Seelischen zu
entwickeln, um die Welt vom Seelischen her bereichern und verändern zu können.
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