Fixierendes oder vergleichendes Beschreiben

Bildanalytischer Appetizer Nr. 4


Ring-Around, Paul Wallach 1999
Skulpturenpark Köln, Foto Werner Mikus

Beschreibung will etwas festhalten

Wenn wir beschreiben, wollen wir etwas festhalten. Etwas, das im Fluss des Geschehens unterzugehen droht, soll uns erhalten bleiben und wieder hervorholbar sein. Deshalb versuchen wir es in einer Beschreibung festzuhalten. Wenn uns dies gelungen ist, kann jeder, der es liest, es sich wieder zugänglich machen.
Beschreiben durch Fixieren
Wenn es um die Bewegung eines geworfenen Balles geht, ist das kein Problem: Wir beschreiben die Flugbahn einer Kugel als eine Kurve, die wir vielleicht durch die Höhe beim Abwurf und durch die Zeit beschreiben, welche sie braucht, bis sie auf den Boden aufschlägt. Eventuell beschreiben wir auch die sich im Flug verändernde Geschwindigkeit. Darüber hinaus können wir den Vorgang noch durch die Angabe eines kodifizierten Materials, durch die klassifizierte geometrische Form und durch die Größe des Durchmessers in vielem Weiteren festlegen.
Beschreiben durch Analogisieren
Wenn wir dagegen ein seelisches Geschehen beschreiben, sind die raum-zeitlichen Verhältnisse meist der unwichtigste Teil von dem, was wir festhalten wollen. Oft spielen diese überhaupt keine Rolle. Im Seelischen zeigt sich vielmehr das Bild- und Geschichtenhafte, zeigen sich Beziehungen, Verwandtschaften und Übergänge, die beschrieben werden wollen.
Ein seelisches Geschehen hat seinen Schwerpunkt nicht in den raumzeitlichen Verhältnissen, sondern in Verhältnissen, die wir als erlebbar benennen und die wir in Bildern, Gleichnissen und Geschichten vor uns haben. Deshalb möchte ich für die Beschreibung des Seelischen auch nicht den Fall eines geworfenen Balles nehmen: Der geworfene Ball verleitet dazu, ein Geschehen als erlebensunabhängig zu nehmen, um es dann auf die entsprechende Weise festhalten zu können. Für die Beschreibung von seelischen Prozessen passt so ein Vorgehen nicht.
Seelisches beschreibt sich selbst!
Seelisches ist von sich aus schon Beschreibung: Es beschreibt z.B die Übergänge zwischen Erwartungen und Erfüllungen: Ein unruhiges Bangen oder eine Ablenkung suchende Aufgeregtheit kann solch einen Übergang beschreiben. Darüber hinaus ist es wichtig zu wissen, dass seelische Befindlichkeiten sich immer erst im Spiegel einer aufstörenden anderen Befindlichkeit erfahren: Die tatsächliche Bedeutung, welche eine wichtige Person für uns hat, fühlen wir nicht sofort, sondern vielleicht erst dann, wenn diese sich mehr für jemand anderen zu interessieren scheint als für uns. Das ist die Natur des Seelischen: Wir haben es darin immer mit Brechungen, statt mit einfachen, kodifizierbaren Dingen zu tun.
Eins im Spiegel des anderen...
Das Seelische lebt in solchen lebendigen Spiegelungen. Alles, was seelisch auf den Plan tritt, tut dies im Spiegel anderer, mitlebender Verhältnisse. Diese relativistische Natur verträgt sich nicht gut mit dem Wunsch eines Festhaltens. Es sei denn, dass wir es dem Seelischen gleichtun und die Verhältnisse ebenso relativistisch festhalten, wie es das Psychische selber tut.
...und die Konsequenz:
Eine Beschreibung muss vergleichend bzw. analogisierend sein: Wir beschreiben seelische Befindlichkeiten also immer durch eine Analogie, durch einen Vergleich. Jemand, der trauert, sitzt z.B. so da, "als ob er sein gesamtes Hab und Gut verloren hätte". Dieses Bild beschreibt dann seinen Zustand. Wir machen uns hier zunutze, dass Seelisches sich auch ohne unser Zutun immer schon selbst beschreibt, wie schon in einem Beispiel oben angesprochen: Das unruhige Bangen, das einen Übergang zwischen einer Erwartung und einer Erfüllung beschreibt. Kodifizierte Begriffe wie „depressiv“ oder „ängstlich“ sagen nichts, sie beschreiben nicht wirklich. Erst in Analogien bilden wir die seelischen Verhältnisse nach.
Abkürzungsversuch
Die fixierende, sich auf Verabredungen (Kodizes) zurücknehmende 1:1-Beschreibung, ist für das Seelische demgegenüber ein untauglicher Abkürzungsversuch. Natürlich ist es sehr verführend, mit einem solchen magisch aufgeladenen Werkzeug auf ein Festhalten des Seelischen loszugehen.
Einen solchen Versuch können wir mit dem der Stiefmutter aus dem Märchen von Schneewittchen vergleichen. Sie versucht, den lebendigen Spiegel der Entwicklung loszuwerden, indem sie die Beseitigung der heranwachsenden Stieftochter in Auftrag gibt. Im Spiegel der heranwachsenden Schönheit muss sie sich nämlich selbst als alt erfahren. Das will sie aber nicht. Sie möchte viel lieber an dem gewordenen Bild ihrer Schönheit festhalten, und dieses Bild als wahr fixieren.



Spieglein, Spieglein an der Wand
Hierzu muss von der Königin eine andere Art von Spiegelung gefunden werden. Etwas Magisches wird gebraucht. Eine Art von "Wahrheits-Spiegel" muss die Arbeit übernehmen (Wahrheit via Statistik oder durch kodifizierte 1:1-Beziehungen). Doch wie wir übrigens nicht nur aus dem Märchen wissen, spielt selbst so ein Zauberspiegel am Ende nicht mit. Auf die Frage: "Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?" schmeichelt er zwar der Königin zuerst, weist sie dann aber doch mit einem Aber auf das Ungesehene hin, das sich nebenher entwickelt hat: "... aber Schneewittchen hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen ist tausendmal schöner als ihr."
Kulturtechnik: Analogisieren
In den Schulen sollte zukünftig eine neue Kulturtechnik auf dem Lehrplan stehen: Neben dem Rechnen, Lesen und Schreiben, das Analogisieren. Ein Beispiel aus einer solchen zukünftigen Unterrichtsstunde könnte das Folgende sein: Ein Schüler ballt die Faust und reckt sie dabei hoch. Die Schüler sollen nun sagen, was der Vorführende dabei fühlt oder damit sagen will. Sie versuchen es vielleicht mit "Ich bin der Größte", "Wow, wie bin ich gut", "Mir kann keiner das Wasser reichen" oder "Ich werde es euch zeigen!“ Oder… Die Schüler "schmecken ab", welche Als-ob-Beschreibung (Analogie) am besten trifft.

Adressen der verlinkten Bilder:
(oben) Foto Werner Mikus zur Skulptur "Ring-Around" v. Paul Wallach 1999; Skulpturenpark Köln, 
(unten) https://diefilmguckerin.files.wordpress.com/2012/10/img111.jpg

Kommentare

  1. Mag.Judith Kerschbaumer25. Mai 2013 um 07:05:00 MESZ

    Wenn Fixieren oder Fixation egal in welchem Wissenschafts- oder Alltagsbereich als Begriff verwendet wird, steht er für befestigen, festlegen, etc. FEST im Gegensatz zu FLEXIBEL. Sprache kann sich nur in Zahlen festlegen um als allgemein gültig für einen bestimmten Inhalt weltweit verstanden zu werden. Alles was über diese Symbolzeichen hinausgeht, muss sprachlich immer wieder zwischen Gesprächspartnern ausgehandelt werden. Eine Analogie stellt zwar ähnliche Strukturen oder Zusammenhänge in einen Zusammenhang. Wenn der Gesprächspartner den (wahren) Zusammenhang auf den die Analogie anspielt nicht kennt, kann es schnell zu Missverständnissen führen. Die Analogie “Viele Köche verderben den Brei.” als Gleichnis für kommunikative Sprachenverwirrung kann in diesem Zusammenhang als berechtigte Argumentation benutzt werden. Bildhaftes Reden wurde schon von Aristoteles verwendet („Gleichheit ist die Seele der Freundschaft“). Ob in einer (ikonischen) Bilderflut-Gesellschaft zum Ausgleich die sprachliche Bildverwendung von Analogien als Unterrichtsfach gefordert werden soll oder ob diese nicht an sich schon in einer Sprachentwicklung einer Kultur verankert ist, jedoch mehr bewusst gemacht werden sollte als einander zu weniger Missverständnissen führende Kommunikation, ist eine vertiefende (An-)Frage zu diesem Artikel.

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    1. Dass etwas durch ein Aushandeln erst allgemeingültig festgehalten werden kann, das ist das verbreitete Verstehen in der Wissenschaft. Deshalb kodifiziert man. Deshalb werden Definitionen aufgestellt, als gäbe es die Möglichkeit durch klare Begriffe eine Sache zu treffen.

      Worte sind ABER immer nur im Kontext genau, sonst sind sie überdeterminiert und stets sehr offen. Wenn wir analogisieren dann müssen wir genau das leisten: den Kontext zur Auslegung bestimmter allegemein bekannter und in den Bedeutungen recht fließender Begriffe nutzen mit dem Ergebnis einer Analogie! Eine Analogie ist ja keine Metapher, die man auf etwas anderes draufklätschen kann sondern ein hochkomplexes sprachliches Gebilde. Das schon in der Schule wie eine Kulturtechnik ernst zu nehmen und zu üben würde einen großen Fortschritt in der Kultur bedeuten.
      P.S. Zahlen sind auch nicht eindeutig, das glaubt der Laie immer. Wir sehen nicht, ob es eine komplexe Zahl mit dem i-Anteil 0 ist, was aber dann eine ganz anderen "Wert" bedeuten würde. Wo wir mit zahlen umgehen, wie im Beispiel mit dem Ballwurf, da ist eben der Kontext immer äußerst sogfältig mitbeschrieben, und deshalb vertut sich auch keiner beim Verstehen DIESER Art von Beschreibun.

      Ein Beispiel dafür, dass eine Analogie im Kontext erst seine klare Bedeutung entfaltet hänge ich hier an (Robert Musil - Mann ohne Eigenschaften Kapitel (Schweigende Begegnung zweier Berggipfel:
      "Diotima fühlte, dass ihre Wohnung sich in zitternder Bewegung befand; alle Dinge, die wegen des Ereignisses ihren Platz hatten verlassen müssen, kehrten nun nacheinander zurück, es war wie wenn eine große Welle aus unzähligen kleinen Grübchen und Gräben wieder über den Sand abrinnt. Und während Arnheim in vornehmem Schweigen wartete, bis sie und diese Bewegung um sie wieder zur Ruhe gekommen seien, erinnerte sich Diotima, dass, so viel Menschen auch schon bei ihr verkehrt hatten, noch nie ein Mann mit ihr so häuslich allein gewesen war, dass man das stumme Leben der leeren Wohnung spürte, außer Sektionschef Tuzzi. Und plötzlich wurde ihre Keuschheit durch eine ganz ungewohnte Vorstellung verwirrt; ihre leer gewordene Wohnung, in der auch ihr Mann fehlte, kam ihr wie eine Hose vor, in die Arnheim hineingefahren war. Es gibt solche Augenblicke, sie können wie Ausgeburten der Nacht dem keuschesten Menschen widerfahren, und der wunderbare Traum einer Liebe, wo Seele und Leib ganz eins sind, erstrahlte in Diotima.
      Arnheim ahnte nicht davon. Seine Hose stellte eine einwandfreie senkrechte Linie auf das spiegelnde Parkett, sein Cut, seine Binde, sein ruhig lächelnder vornehmer Kopf redeten nicht, so vollkommen waren sie. ..."
      [Der Kontext hier: ein reiche Dame mit herrschaftlichen Räumen ist verliebt in eine große Aufgabe, die über einen politischen Zusammenschluss an dessen Spitze ein bestimmter Herr Arnheim steht verwirklicht werden soll. Dieser Verein trifft sich zu einer wichtigen Versammlung in den privaten Räumen dieser Dame Diotima. Eine besondere Art des Verbundenseins mit Herrn Arnheim muss durch die Verbindung in der großen Aufgabe angenommen werden.

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  3. Mag.Judith Kerschbaumer25. Mai 2013 um 17:28:00 MESZ

    Ein schönes literarisches Bespiel ist dieser Textauszug, vor allem wegen der vielen Analogien, aber auch Metaphern .„Analogie ist die Beziehung zwischen zwei Beschreibungsgegenständen, Metapher dagegen ein besonderes Verfahren der Wortbenutzung.“(Zit. aus: Hans Georg Coenen; Analogie und Metapher. Grundlagen einer bildlichen Rede) Jede Metapher setzt eine Analogie voraus, jedoch nicht jede Analogie begründet eine Metapher. Aus der Analogiewurzel entsteht eine Metapher wenn einem der beiden Analogiepartner unter Verwendung einer geläufigen Bezeichnung des anderen das gemeinsame Wurzelprädikat als Beschreibungsinhalt zugesprochen wird: ‚Die Ehe ist ein Gefängnis. Das Wort ‚Gefängnis’ beschreibt die Ehe, einen Analogiepartner seines üblichen Bezeichnungsgegenstandes anhand einer Wirkung die für beide Analogiepartner gilt: Einschränkung der Freiheit. Triviale Analogien ( diese verwenden als Wurzelprädikat die Bedeutung einer geläufigen gemeinsamen Bezeichnung der Analogiepartner ) sind für Metaphernbildung unbrauchbar. Die triviale Analogie (TA) drückt somit eine Zusammengehörigkeit aus, die sich in den von der Sprache angebotenen Bezeichnungsmöglichkeiten widerspiegelt, die Metapher dagegen setzt eine Zusammengehörigkeit (des beschriebenen Gegenstandes mit Gegenständen des TAe) voraus die im semantischen System der Sprache nicht berücksichtigt ist. Ehe und Gefängnis sind semantisch nicht verwandt. (nach Coenen, s.o) Die „Feinarbeit“ von Metaphern, die ein Wort aus einem Bildsendebereich in einen Bildsendebereich eines Bildempfängers ÜBERTRÄGT , zwischen denen eine semantische Schnittstelle existiert, also „Das Dritte des Vergleiches“ ,kann als abgekürzter Vergleich verstanden werden, jedoch nicht als „Abkürzung“ an sich, müsste von dieser Qualität also auch nicht abgewertet werden als eine „die man auf etwas anderes draufklätschen kann“.

    Ja, der Kontext. Auch er lebt nicht nur vom exakt abgestecktem Verständigungsfeld. Ich möchte das an einem konkreten Beispiel kurz abhandeln: Ein gedeckter Tisch, den man sieht ist nicht ein anderer als über den man spricht. Dennoch bringt das Sprechen ein anderes Bild zutage (von Sprecher zu Sprecher sogar verschiedene Bilder) als das Abbild des Tisches(nachgezeichnet oder fotografiert). Obwohl sich alle ProtagonistInnen (Sprechende, Zeichnende, Fotografierende) im gleichen Kontext befinden (=Da ist ein gedeckter Tisch) liefern sie unterschiedliche Bilder ab. Wie kommt das? Für den Ausdruck visueller Eindrücke (einzelner Objekte, ganzer Szenen, Erlebnisabläufe) bedarf es einer komplexen Palette an Voraussetzungen (Fertigkeiten und Fähigkeiten) des Subjektes /der Subjekte. Im Mikrokosmos des Kontaktes, also im Reden, werden eben nicht nur Worte ausgetauscht, sondern es wird eine thematische Bühne aufgebaut ‚also ob’ es gelte (Gleichnis on;-) einen Schlüsselsatz (als Metapher und wortwörtlich gebraucht yes yes yes) zum Verständnis in der Kommunikation anzuwenden.
    Von der Mehrdeutigkeit der nicht-wortwörtliche Sprache profitiert das Verwenden von Gleichnissen ja! Im Bildhaften verbreitern sich lineare Einbahnstraßen von möglichen Missverständnissen zu Kreuzungswegen, also zu möglichen Begegnungs- und Verständigungs/Verstehensmöglichkeiten.

    Sprach- und Sprachkultur in der Schule für solche Zwecke zu fordern wird an der Einsicht scheitern die Geldgeber für solche Zwecke nun mal brauche, sie lässt sich aber mit gut geschultem Lehrpersonal fördern die Sprech- und Sprachvorbilder abgeben, meine abschließende Meinung zum Thema.

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  4. Mag.Judith Kerschbaumer26. Mai 2013 um 04:51:00 MESZ

    PS: Da ich nicht aus dem Institut für Bildanalyse hervorgegangen bin, sondern anderen Zugang zum Sprachbild (Schwerpunkt Metapher)und der Bildsprache habe, mögen mein Beitrag nur ein Gedankenanstoß und kein Stein des Anstoßes sein...

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  5. Apropos Anstoß geben, danke, liebe Judith, werde ich gerne noch mal auf zwei kritische Punkte in dem Thema eingehen (das gefällt mir übrigens sehr, dass hier auch mal ein bisschen Rückmeldung geschieht)


    Erst mal zu dem Punkt Analogie und Methaper:
    Wenn wir Analogien sichtbar machen wollen (also das Seelische mit seinem Bildcharakter), können wir das stil-technisch auf verschiedene Weise tun. z.B. können wir schreiben: er sitzt da, als ob ihm eine Laus über die Leber gelaufen sei, oder als sei ihm fruchtbar elend zumute. Wir können aber auch sagen: als musikalische Veranstaltung wäre er ein kraftlos sich dahinschleppender Trauermarsch. Es gibt aber auch noch viele andere Möglichkeiten, einen entsprechenden seelischen Zustand zu beschreiben: Vielleicht trifft es ja im Konkreten zu, dass er mit der Grazie eines Faultiers vor uns in seinem Baum hängt.
    Metaphern-Theoretiker wollen das gerne ordentlicher haben. Wichtiger als die Übersichtlichkeit schein mir aber, dass eine Beschreibung die Sache in ihrer Komplexität trifft. Meine Befürchtung ist die, dass Psychologen und Therapeuten, wenn sie sich an solchen (Metpher-)Theorien orientieren, dann auch häufiger Wortkonstruktionen (Metaphern) zur Anwendung bringen, die am Ende weniger eingefühlt, als metapherntheoretisch erlaubt sind. Das habe ich gemeint, als ich davon sprach, dass eine Metapher schnell mal auf das zu beschreibende Geschehen "draufgeklätscht" wird.

    Zum Verhältnis Kontext und Bildgenauigkeit noch ein Wort:
    Was die Bedeutung des Kontextes betrifft liegt, wie mir Dein Beispiel vom gedeckten Tisch zeigt, wohl ein Missverständnis vor: Der gemeinsame Kontext für die Protagonisten in Deinem Beispiel ist ja nicht der gedeckte Tisch wie Du schreibst. Der gedeckte Tisch ist vielmehr das * Objekt* das beschrieben werden soll. Er ist nicht auch noch sein eigener Kontext!!! Der tatsächliche Kontext für den irgendwie gedeckten Tisch ist vielleicht wie folgt zu beschreiben: Kindergeburtstag, Abschlussfeier, Veganerfamile oder/und anderes mehr. Wenn oben genannter Kontext (z.B. Kindergeburtstag mit verwöhntem Kind und und ...) allen Protagonisten bekannt gegeben wird, (Kontextklärung), werden sich die Beschreibungen der Protagonisten in den betreffenden Variabilitäten auch nicht mehr unterscheiden. Beschreibung ist im weiten Sinne eine Typisierung: Wenn die Beschreibung den Typus des gedeckten Tischs nun also typisierend festgelegt hat, gibt es innerhalb dieses Typus natürlich noch Freiheitsgrade, diese sind aber anderer Ordnung und für die Erfüllung der beabsichtigten Beschreibung (Typisierung) prinzipiell jedenfalls nicht von Bedeutung. Kurz: der Kontext (KIndergeburtstag) grenzt das Allgemeine (der gedeckte Tisch) hinreichend ein, so dass die Individualität des beschreibenden Menschen nicht als DIE Störquelle für eine gelingende Beschreibung angesehen werden muss.
    Das Thema lohnt sich in weiteren Wendungen behandelt zu werden (vielleicht schon im nächsten Appetizer).

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  6. Bin noch schnell einem weiteren Anstoß nachgegangen (auch hierfür nochmal Dank an Deinen Kommentar, Judith)
    Zu meiner Vision von einer demnächst (in den Schulen) anerkannten Kulturtechnik "Analogisieren" habe ich ein kurzes Beispiel (eine Szene aus einem solchen Unterricht) angehängt - im Appetizer jetzt an entsprechender Stelle nachzulesen.

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  7. Mag.Judith Kerschbaumer27. Mai 2013 um 10:05:00 MESZ

    PPS:)Der gedeckte Tisch (nicht nur wortwörtlich genommen) ist ein wunderbares Gleichnis, IST Kontext wenn wir uns dazu immer auch die Fülle von XY (im Kontext)denken...jaja die MetahphernanalytikerInnen habens genau drauf;-)

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  8. Wir können natürlich vom gedeckten Tisch auch *im übertragenen Sinne* reden.
    Dann müsste es aber entweder der "reich gedeckte Tisch" heißen oder "sich an den gedeckten Tisch setzen". In beiden Fällen hätten wir dann beide die Rede vom "...gedeckten Tisch..."
    als Metapher eingesetzt. In diesem Fall wäre natürlich der Kontext ein anderer:
    Nehmen wir das Beispiel, dass sich jemand imme an den gedeckten Tisch setzet.
    Was muss ich jetzt wissen, damit nicht alle Phantasien zugelassen sind?
    Beispiel: Immer wenn das Schulfest stattfindet ist der Betreffende Lehrer zur Vorbereitung desselben nicht zu sehen in andere Sachen verwickelt vielleicht. Am Fest selber steht er dann
    aber immer im Mittelpunkt, läuft wie eine Diva von Stand zu stand, genießt die Angebote der Schüler, die Aufbauten, die Oranisation, die lockere Stimmung der eingeladenen Eltern und die daraus sich ergebenden Gespräche.
    Dieser Umstand wäre dann der Kontext. Und dieser würde näher eingrenzen, was hier
    mit dem gedeckten Tisch gemeint ist, wenn es heißt: sie oder er setzt sich an den gedeckten Tisch.
    Möglicherweise gab es ein Missverständnis in meinem Kommenatar, weil der gedeckte Tisch, wenn er nicht wörtlich gemeint ist, eben immer als "reich gedeckter Tisch" oder in der Redensart des "sich an den gedeckten Tisch setzen" vorkommt.
    Habe deshalb nur die wörtliche Version kommentiert.
    Weiterführende Überlegungen:
    Man kann sich hinsetzen, die Augen schließen und sich vorstellen, was auf einem gedeckten Tisch alles drauf ist oder auch darüber nachdenken, wie der gedeckte Tisch, angewandt auf die Person und Situation verstanden werden muss, über die der Satz oben gesprochen wurde. Im letzteren Falle wird man sich Dinge vorstellen, wie ich sie oben zu der Person und zum Fest mir habe einfallen lassen (dann ist das eben der Kontext - über den ich Infos haben sollte, damit nicht die Ideen zur Sache wie die Pilze schießen).
    Zum Trainieren der Phantasie und um sich selber etwas besser kennenzulernen ist ein solches Training allerdings sehr gut geeignet.
    Was allerdings den Job des guten Beschreibens betrifft, bleibt es für mich dabei, dass der Beschreibende selbst die Hauptjob zu leisten hat: Er muss über die Hintergründe etwas schreiben (Kontext) und nicht nur das richtige Bild finden. Er kann auch nicht die Leser vorher in Trainingsstunden schicken (hihi... was natürlich auch nicht so ganz verkehrt wäre).
    Danke nochmal für den Hinweis, dachte nicht, dass das Bild vom (reich)gedeckten Tisch sich ja auch so schön als Metapher eignet (oder vom: sich an den gedeckten Tisch setzen). Eigentlich sollte der Appetizer ja auch so eine Einladnug sein, nämlich, den reich gedeckten Tisch der Bildanalytischen Psychologie aufzusuchen, auf dem ganz viele gute Dinge stehen, und zu denen man freien Zugang hat, ohne Vorleistung oder Mitmachverpflichtung auch, also einfach nur so, wie wenn man sich an einen gedeckten Tisch setzt. Gruß nach Wien

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  9. Mag.Judith Kerschbaumer27. Mai 2013 um 18:59:00 MESZ

    Gruß nach Köln!
    Na das gefällt mir aber,
    so ein reger Austausch unter verwandten Wissenschaften!

    Ich möchte noch eine Begriffsdefinition von Gleichnis anhängen, wie ich sie - unter Abgrenzung zur Metapher in meiner Diplomarbeit- herausgearbeitet habe:

    Das Gleichnis gilt als erweiterter, ausgeführter Vergleich, ist eine Textmetapher (und somit eine Sonderform der Metaphorisierung), ein narrativer Text. Es gehört zu den Grundformen menschlichen Erzählens (siehe homersche Gleichnisse, Platons Höhlengleichnisse und die Vielfalt Gleichnisse religiösen Ursprungs u.v.a.m.)und regt zum Übertragen in neue Kontexte an.
    (Im Vergleich dazu die Metapher, die aus einem relativ konkretem, also sinnlich wahrnehmbaren Ursprungsbereich in einen relativ abstrakten Zielbereich übertragen wird.)
    Beiden gemeinsam ist die Übertragung zur Aktivierung von Bildlichkeit,"um das Bild der Dinge deutlich herauszubringen"(QuintilianVIII, 3,72)

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  10. Apropos fixieren oder vergleichen:

    Die böse Königin im Märchen, die nicht möchte, dass ihre eigene Wirkung im Spiegel der sich zur Schönheit entwickelnden Stieftochter gesehen wird, versteigt sich darin, den lebendigen VERGLEICH mit der eigenen Schönheit ein für alle Male vernichten zu wollen.

    In einem Aphorismus von Max Frisch bekommt das einen Menschlich-Allzumenschlichen Deutungshintergrund :)

    Eifersucht ist Angst vor dem Vergleich.
    (Max Frisch)

    Vielleicht ist die Wissenschaftsgemeinschaft ja ebenfalls auf etwas *eifersüchtig* was in diesem Fall auf die EIGENE LOGIK der erlebbaren Zusammenhänge geht -
    so dass sich auch die Angst vor dem Vergleichen und Analogisieren (statt dem gewohnten Fixieren)
    erklären ließe.

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  11. Mag.Judith Kerschbaumer19. Juni 2013 um 21:18:00 MESZ

    Der Vernichtungswunsch/das Vernichten -in diesem Fall von der bösen Königign im Märchen- geht eher von einem Neidkomplex=Fixierung aus, denn vor der Angst vor dem Vergleich mit dem lebendigen Spiegelbild.
    Die Vergleiche der Wissenschaften untereinander halten nicht, sind die einzelenen Wissenschaftsrichtungen doch unterschiedlich wie Kinder einer Familie, die alle gleichmäßig geschätzt werden (sollten). Erst wenn eine der Richtungen behauptet, weiter zu sein als die anderen, weil...kann ja auch das zum Beispiel jüngste Wissenschaftskind sagen, d a n n wird Zweitracht gesät anstatt trotz der Unterschiede eine gemeinsame Sprache zu finden, um sich in den Unterschieden und dennoch verwandtschaftlichen verhältnissen austauschen zu können.

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  12. Die Wissenschaft von den erlebbaren Zusmmenängen ist so ein neues Kind. Es gehört zur Wissenschaftsgemeinschaft, der gegenüber sie nicht "weiter" ist, das würde sie nie sgen, weil es ihr ja um das ganzheitlich Perspektivische jeder Wissenschaft geht, was gerade KEINE Hierarchie der Wertigkeiten meint! Aber wenn wir diese Wissenschaft von den erlebbaren Zusammenhängen (Bildanalytische Psychologie) neben den psychoanalytischen und ähnlichen Versuchen sehen, eine neue Wissenschaft ebenbürtig zu etablieren, dann ist durch aus im Spiegeldes geleisteten ein Untersschied zu sehen: Die Bildanalytik ist in Hinischt auf ein Etablieren einer neuen wissenschaftlichen Methode eben viel weiter (verwandt mit ihr übrigens die Morphologische Psychologie von W. Salber). Also... Danke für das Zuspielen des Balles... :)

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  13. Mag.Judith Kerschbaumer19. Juni 2013 um 21:40:00 MESZ

    ...Hochmut kommt nie vor einer Etablierung;-)
    Die wirkliche Größe eines Wissenschaftlers und seiner Ausrichtung erkennt man/frau an seiner Bescheidenheit. Darf auf den in der Bundesrepublik sehr wenig bekannten Philosophen Karl Popper hinweisen- auf Youtube z.B:http://www.youtube.com/watch?v=apf0A3byfcc
    An diesem Punkt darf ich das von dir benützte Ballspiel unterbrechen...Gruß nach Köln

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  14. Hochmut kommt immer von oben...>
    Danke für Deinen Blick von oben!

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