Existieren ist Auslegen der Wirklichkeit und Herstellung derselben

 


Zweierlei Betrachtungsweise

Alles, was existiert, legt die Wirklichkeit auf die ihm eigene Weise aus. Erst dadurch erhält es eine Existenz unter allen möglichen Existenzen (aus der sonst gegebenen Beliebigkeit, also aus dem Nichts heraustretend).
Wir haben uns jedoch daran gewöhnt, das anders zu sehen. Wir sehen eine Dreiecksbeziehung: die Welt, das Ding (Ding im aller weitesten Sinne) und der Beobachter. Die Welt und der Beobachter machen aus dem Ding etwas (sie sind es also, welche die Wirklichkeit der jeweiligen Sache auslegen). Der Beobachter nimmt in diesem Modell die schwächere Position ein. Kurz: er schaut darauf, was die Welt mit dem Ding und aus demselben macht. Und im Nachvollziehen und Würdigen dieser Zusammenhänge gesellt er sich auf eine subjektiv gestaltende Weise am Ende bildbeschreibend mit hinzu. Das sogenannte Ding hat im Extrem also zwei Arten von Existenz: Die eine, die ihm nachgesagt wird (abstammend von einem Beobachter, der die Wirkfaktoren einer Welt zwar würdigt, aber nicht in den Mittelpunkt seiner Beschreibung stellt) und die andere Existenz, die auf die tatsächlichen und vermeintlich letzten Wirkfaktoren einer tragenden Natur aller Dinge abstellt. Das spiegelt die gängige Aufteilung in ein philosophisch- kulturwissenschaftliches und ein naturwissenschaftliches Erfassen der Wirklichkeit.
Verzicht auf den letzten Sinngeber
Wenn jedes Ding tatsächlich dadurch existiert, dass es Wirklichkeit auf die ihm eigene Weise auslegt, und jedes Ding dieser Welt sich die Wirklichkeit entsprechend passend zu machen versteht, braucht keines der Dinge einen Fürsprecher und keinen letztverantwortlichen Sinngeber mehr (einen Gott oder den sinngebenden Menschen). Ebenso brauchen die Dinge keinen letzten Anstoßgeber mehr (wie es in einer mechanisch fundierten Welt z.B. einen ersten Beweger zu geben hätte).
Was ihr eigener Sinn ist, zeigt die Sache jeweils in der Art, wie sie die Welt durch ihr Wirken auslegt. Die Auslegung ist das, was gleichsam „hinter“ ihr steht. Und nach diesem „hinter“ sucht der Mensch und Wissenschaftler vergebens, wenn er nicht darauf schaut, was die jeweilige Sache macht und das heißt, wie sie sich die Wirklichkeit zurechtlegt.
Das sich manifest Ereignende und sich auch in potenzieller Wirkung zeigende Geschehen ist es, das ein Verstehen und den Sinn in ein ansonsten beliebig bleibendes Zusammenhängen hineinbringt. Ohne dem wäre kein Sinn, kein Sein und überhaupt keinerlei Qualität in der Welt.

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PS: obiges Bild von Neo Rauch hindert uns daran, im Hinsehen wie gewohnt zu verfahren. Es hält uns etwas fest im Bild, obwohl der fehlende Sinn unübersehbar ist. Und dabei stellt sich uns ungefragt etwas, das zum paradoxen Wesen des Sehens offenbar selbst gehört, vor Augen.


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