Grundlagen bildanalytischen Denkens






Verstehen und Verfügbarkeit
Ein Verstehen stellt sich entweder in den Dienst des Verfügens
oder die Verfügbarkeit stellt sich umgekehrt in den Dienst des Verstehens.
Konkret heißt das:

(a) Verstehen in der Dienstfunktion: Von einem ersten Verstehen der Zusammenhänge aus legen wir die Richtung unserer Beschreibung fest (oder die in bestimmten Wissenschaftsbereichen so genannten Messparameter).
(b) Verfügbarkeit in der Dienstfunktion: Eine Auffälligkeit (in bestimmten Wissenschaftsbereichen sich statistisch anzeigend) wird dazu herangezogen, ein noch nicht vorhandenes Verstehen herzustellen.
Ziel unserer Beschreibung kann das eine Mal das Verstehen sein, das andere Mal kann das Ziel aber auch ein besseres Verfügen-Können über die Dinge sein.
Wie verhält es sich dabei mit dem Abzählbaren und dem Formalisierenden? Beides dient eher dem Verfügen und weniger dem Verstehen und passt damit eher zu einer modellgenauen statt zu einer bildgenauen Beschreibungsweise.
Eine Beschreibung, die auf ein Verstehen ausgelegt ist, versucht Hinweise zu geben, die dem Ziel einer maximalen Orientierung dienen, so dass ein Wiederfinden des neu Gesehenen in einem dabei ebenfalls neu zu verstehenden Anderen stattfinden kann. Dabei wird mit der Methode einer bildgenauen Beschreibung gearbeitet.
Für eine gute Beschreibung kann es zwei grundverschiedene Ziele geben:
Das Ziel kann sein:
A) Die Verfügbarkeit erleichtern. Dazu setzen wir vor allem Modelle ein. Gemeint sind formalisierungsgetragene Modelle, die sich weitestgehend auf Abzählbares stützen (ich will den exakten Zugriff). Exakter Zugriff meint: ich erhalte ein klar umgrenztes, wenn auch verdeckt abkürzendes Ergebnis.

Das Ziel kann aber auch sein:
B) Das Verstehen erleichtern. Dazu setzen wir im Schwerpunkt sprachbildliche Gleichnisse ein.
(Ich suche nach Einordnungen mit Erklärungsüberschuss, statt nach Erklärungen mit komplexitätsreduzierenden Abstrichen).
Erklärungsüberschuss meint: ich erhalte mehr Hintergrund als nötig (im Sinne einer klaren Umgrenzung), was wiederum ein Weiterfragen motiviert und Richtung gibt.
Mit einem Zusammenhang ist immer ein Zusammenhängen nach irgendeinem Prinzip gemeint, also etwas Perspektivisches.
Was auch immer in der Wirklichkeit erscheint, erscheint in ihr immer „als etwas". Und ein solches „als etwas“ meint das Erscheinen des Einen im „Bild“ von etwas Anderem.
Erlebbare Zusammenhänge im weiten und im engen Sinne.
Zu den erlebbaren Zusammenhängen rechnen wir alle solche (bild- und geschichtenhaften) Zusammenhänge, die ein potenzielles inhaltliches Sein mit einer aktualisierbaren Bereitschaft besitzen, aber auch jene Zusammenhänge, die im Hier und Jetzt für die endlichen Manifestationen unserer Wirklichkeit stehen.
Die potenziellen Zusammenhänge spielen dabei eine besondere Rolle. Sie lassen sich als Bereitschaften inhaltlicher Art verstehen, die sich bei Verschränkung ihrer Dienstfunktionen untereinander gegenseitig in den Dienst nehmen. Dabei generieren sie die manifesten seelischen Einheiten, die am Ende unser Erleben und Gestalten auf der Ebene der übergreifenden und entwicklungsbezogenen Zusammenhänge bestimmen.
Die erlebbaren Zusammenhänge sind die Zusammenhänge, die wir bisher weitgehend deckungsgleich mit den Phänomenen des Psychischen verbunden haben. Was diese Phänomene eint, ist aber nicht das Erleben und Verhalten, sondern ihr Existieren in der Form einer Erlebbarkeit, das heißt: ihr Existieren in einer gleichnis- oder geschichtenhaft beschreibbaren Form.
Ein letztes kleinstes Element oder Elementen-Set des Seelischen, aus dem sich per Kombination oder Vermischung alles herleiten ließe, gibt es nicht.
Für das Seelische gibt es kein Modell
Alles, was sich zeigt, zeigt sich als ob es dieses oder jenes wäre. Durch das "Wie" wird eine Ausgangsqualität oder Ausgangsverfassung immer auf eine andere Qualität oder Verfassung bezogen. Wenn wir z.B. feststellen: Er benimmt sich unerwartet wie ein Trottel, dann meinen wir:
Er, der eigentlich ein vernünftiges Auftreten hat, tritt wie ein Trottel auf. Das als vernünftig zu erwartende Auftreten zeigt sich also in der überraschenden Gestalt des Trotteligen. Das eine also in der Gestalt des anderen. Verliert das Trottelige jetzt etwas von der eigenen Qualität, dadurch, dass es zu einem Bild für das aus der Rolle fallende Andere wird? Ja und Nein. Die Qualität des Trotteligen ist in ihrer Inhaltlichkeit nicht definit festgelegt. In der gegebenen Dienstfunktion hat es eine kontextuell erweiterte Bedeutung, weil es sich dem Erwarteten als eine sinnmachende Abweichung in den Dienst stellt: Sie hat in dem einem Fall vielleicht einen Boykottcharakter und in einem anderen Fall den Nebensinn einer Flucht vor der Möglichkeit, für irgendeine Sache "in die Pflicht genommen" zu werden.
Hinter jedem „als“ und das heißt hinter jedem Vergleich ist ein anderer Vergleich möglich und das in unendlicher Folge, ohne dabei je auf ein letztes Element stoßen zu können. Es gibt also kein endliches Set von Elementen im Seelischen, wie das im Standardmodell der Teilchenphysik z.B. der Fall ist.
Zum Schluss noch ein Beispiel für die wechselseitige Indienstnahme:
Alles Erlebbare tritt in der Form eines „wie“ oder auch eines „als ob“ auf und erweist sich so als die Realisierung einer gegenseitigen Indienstnahme von Zusammenhängen der im engen Sinne erlebbaren Art. Wie muss man sich z.B. ein Sehnen vorstellen, wenn wir es von einem erlebbaren Zusammenhang her verstehen und herleiten wollen, bevor dieser bereits in den besagten manifesten Zustand übergegangen ist?
Man kann es sich so vorstellen: Ein ungerichteter Tatendrang (erlebbarer Zusammenhang Nr. 1) stellt sich dem Fehlen einer geliebten Person in den Dienst (erlebbarer Zusammenhang Nr. 2) und macht ein feinfühliges, poesieartiges Sehnen daraus. Oder umgekehrt: Das Nichtvorhandensein der geliebten Person (Zusammenhang Nr.2) stellt sich einem ungerichteten Tatendrang in den Dienst (Zusammenhang Nr.1) und lässt dabei ein Sehnen mit einem besonderen Apellcharakter an sein Umfeld entstehen.


Foto: https://i0.wp.com/wiesbaden-lebt.de/wp-content/uploads/2017/03/Fasanerie_Pfau-168.jpg?resize=1140%2C640&ssl=1

                

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