Glück
Ein "Apropos"-Beitrag
Dumme rennen, Kluge warten, Weise gehen in den Garten (Rabindranath Thakur) |
Glück, der umgekehrte Kollateralschaden
Dem Menschen von heute müsste es
eigentlich längst aufgefallen sein, dass sein Umgehen mit dem Thema Glück und
sein Nachdenken darüber in eine Sackgasse geraten ist. Er merkt es aber nicht.
Erst, wenn er beginnt, ein tiefer gehend anderes Verständnis vom Seelischen auf
das Thema Glück anzuwenden, bekommt er eine Idee davon: Die Psychologie des
vergangenen Jahrhunderts ist selbst der Grund für das Problem.
Ein anderer Blick
Mit einem bildanalytischen Konzept vom
Seelischen bekommen wir einen anderen Blick auf das, was wir unter Glück
verstehen. In den glücklichen Momenten unseres Lebens - so wie auch in den
unglücklichen - haben wir eine Begleiterscheinung unserer lebensgestaltenden
Produktionen und Entwicklungen vor uns. Und diesen Momenten kommt eine ganz
besondere Funktion zu. Erst, wenn wir so auf die Dinge schauen, also mit einem
dementsprechenden psychologischen Blick, sehen wir die Vereinseitigung des
gewohnten Denkens: Wir behandeln das Glück so, als stehe es für das Antreibende
im Leben eines Menschen schlechthin und als sollten wir uns in der Hauptsache
darüber Gedanken machen, wie ein Herstellen-Können von Glück zu erreichen sei
(Glück wird als etwas Produzierbares verstanden).
Wenn wir nun aber im Unglück einen Kollateralschaden unserer Unternehmungen und im Glück einen Kollateralgewinn sehen, ordnen sich die Verhältnisse auf eine andere Art und Weise: Es geht dann nicht mehr um ein Herstellen von Glück. Genau wie der kriegsbedingte Kollateralschaden sich eben nicht kontrolliert und gewollt herstellt, verhält es sich auch mit dem aufkommenden Glückgefühl.
In mehreren Werken unterwegs
Wir sind in vielen „Unternehmungen“
gleichzeitig unterwegs, in kleineren und größeren. Beispielsweise bereiten wir
ein Essen zu, richten uns über Wochen hinweg in unserer neuen Wohnung ein,
reparieren eine streikende Pfeffermühle oder/und denken uns ein Geschenk für
einen lieben Menschen aus. In all diesen Prozessen (also im Essen zubereiten,
im Reparieren der Pfeffermühle usw.) steht uns eine steuernde Orientierung zur
Seite, die wir formalisierend auch eine „Freud-/Leiderfahrung“ nennen können.
Was tut sie? Was haben wir von ihr? Sie lässt uns Glücksgefühle haben, wenn die
Entwicklung einer laufenden Sache sagen will: ja, so ist es gut, mach weiter
so. Und sie lässt uns leidvoll berührt sein, wenn sie umgekehrt warnen will:
Mach nicht so weiter, hier läuft etwas schief…bitte korrigieren!
Eine neue Haltung
Das Glück oder die aufkommende Freude stehen demnach nicht in einer Zielfunktion zu all' den Dingen, die unser Tun und Sein von Grund auf ausmachen. Das ist ein psychologisch neuer Blick auf das, was wir Glück nennen. Glück ist nach diesem Verständnis der Dinge nicht der Mittelpunkt unseres Seins, der alle Entwicklungen und Prozesse wie nach einer Revolte seinen eigenen Zielen unterworfen hat. Das Seelische scheint vielmehr so eingerichtet, dass es die glücklichen und leidvollen Erlebnisse zu seiner Orientierung hat und auch braucht. Sie dienen dem Gelingen von Entwicklungen und sind ihrem Wesen nach Korrektur-Erfahrungen, die uns im Falle eines glücklichen Signals schmecken und im anderen Fall natürlich weniger.
Verkehrte Welt
Der Zeitgeist ist aber voll und ganz auf das Glück als eine Verheißung ausgerichtet, so wie es die Ideologien zeigen, die uns besonders im letzten Jahrhundert in die Irre geführt haben. Das Thema Glück versucht sich flächendeckend immer noch in eine Führungsposition zu bringen. Es will sich die Lebendigkeit der verschiedenen Entwicklungen und ihre vielfältigen Zielrichtungen gleichmachend unterwerfen. Alles Potenzielle will es über den großen Glücks-Kamm scheren, bevor es mit der jeweiligen Sache erst richtig losgeht.
Ausblick
Eine Psychologie des 21. Jahrhunderts
wird sich weniger für die Produktion von Glück interessieren als für die
Lebendigkeit komplexer Welten, in denen das Glück neben Anderem sein
natürliches Zuhause hat. Die größten Erfindungen wurden meist jenseits eines
zielführenden Tuns und eines gezielten Suchens gemacht. Es war eine
Bereitschaft vorhanden, eine Sensibilität für den Sprung. In der Wissenschaft
spricht man von einer Serendipity, wenn Erfindungen ganz ungezielt und
unerwartet entstehen - wie beim Penicillin, dem Benzolring oder dem
Klettverschluss z.B. Das „Glücksgefühl“ wird seine Zeichen setzen mit einem:
Ja!!! So geht es! Wenn es auch zunächst verrückt ausschaut, genau das ist es! Weiter
so!
Es gibt einen weisen Spruch von Rabindranath Tagore. Der lautet: „Dumme rennen, Kluge warten, Weise gehen in den Garten“. Dieser Satz wirft noch einmal einen besonderen Blick auf den spannenden und hochkomplexen Zusammenhang, wird doch hier das Glück pointiert mit dem Glück des Weisen gleichgesetzt. Markus Buschkotte schreibt in einem Kommentar hierzu: „Ich vermute, dass dieser Aphorismus auf den Unterschied von 'Technik' und 'Haltung' abheben will. Es geht in diesem Aphorismus nicht um eine Steigerung im Sinne von 'dumm' – 'klug' – 'am klügsten', sondern um zwei grundverschiedene Haltungen. Rennen oder Warten sind eigentlich sehr ähnliche Techniken, nur umgekehrt. Von daher ist der Wartende immer auch eine Art 'kluger Dummer'. Der Weise dagegen macht etwas völlig anderes. Im Gegensatz zu den ersten beiden fixiert sich der 'Weise' in dem Garten nicht auf ein bestimmtes Ziel, sondern gibt dem Zufall eine Chance, indem er [z.B] die Blumen genießt.“ Dieser Kommentar legt den dahinterstehenden Gedanken sehr schön offen und kann uns zeigen, dass unser neues Nachdenken zum Thema Glück nicht dem Mainstream folgt, aber doch auf ein gewisses Vordenken zurückgreifen kann.
Kommentar: Markkus Buschkote 2018 Blog-Veröffentlichung https://denkenimwandel.blogspot.com/2018/12/gluck-bedeutung-geben-wir-ihm-heute.html
Bildquelle: Zeichnung Werner Mikus
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